Die Idee ist quasi ungehörig, dass man Gedichte präsentiert, denn der Vers ist meistens störig, auf den man stiert...
Trotzdem unten mal ein paar weitgehend zufällig aus den Büchern herausgeblätterte Dinge.
Es ist die Welt ein rätselhafter Ort,
durch den ich wandle wie im Traume,
und was ich war und bin, hängt dort
am ausgedorrten Baume,
dessen Wurzeln nach den Sternen graben,
als steckten sie im Eisengrund.
Ich wollte eine Stimme haben
und hab doch nicht mal einen Mund,
mit dem sich wie ich wollte sprechen ließe
von Sternen, Träumen und vom weiten Land
und dass um uns ein Weltmeer fließe,
das noch von Menschen unbenannt,
doch angefüllt mit unsren Träumen
und brandend voll von Morgen sei.
Wir alle hängen rings an unsren Bäumen,
und nie mehr geben wir uns frei.
Da will ich mich ins Totholz schmiegen,
und in den fahlen Blättern liegen,
wenn rings der Träumernebel steigt.
Doch wenn mein Herz ins Leere zeigt
und mich der eigne Mund verschweigt.
dann werd ich einst zum Himmel fliegen.
aus: Fast Fünzigjährige Gedichte: Fragile Versuche (2013)
Grabrede auf mich selber
nichts entdeckt und nichts gehört
nichts errichtet, nichts zerstört
nie gemalt und nichts geschrieben
kein augenblick von echtem lieben
nichts gekonnt und nichts gewollt
nichts ersehnt und nichts gesollt
nichts erdacht und nichts gewusst
höchstens, dass du scheiden musst
nichts geträumt, kaum was gehasst
nichts gewonnen, nichts verprasst
niemals gut, sehr selten schlecht
nicht nur lieb, auch kaum gerecht
nichts als knochen, haut und blut
und gepresst im herzen blinde wut
was den sarg nicht sehr erschwert
wenn man dich zum parkplatz fährt
nur ein paar gramm stummes sehnen
und ein schnapsglas voller tränen
bleiben draußen kurze zeit zurück
fragen dich: war das schon glück?
aus: Herbst: Ausgerissene Blätter (2016)
mein herz, ein gast in meinem vorortkinderleben,
der sich nicht wohlfühlt in der stadt, die ich bewohn,
es will stürmen, ich will reglos und mit wolken schweben.
mein herz will Madras, mir reicht Iserlohn.
muss ihm ein appartement voller wanzen zur verfügung stellen
es schüttelt sich verärgert, wie wenn junge hunde bellen,
und schlägt auch um sich, ohne rhythmus, kreuz und quer,
ich aber seh zum himmel, und die nacht wird leer.
mein herz in allen seinen teilen
weiß einen ort, dem es gehört,
und muss an meinen ketten feilen,
damit es meinen tod beschwört.
weil es sich todlos wähnt und ewig weiter schlagend
und glaubt, dass es zuvorderst doch zigeuner ist.
doch bin ich blümlein, schüchtern und verzagend,
und dann ein falter, den man rasch vergisst.
aus: Fast Fünfzigjährige Gedichte: Fragile Versuche (2012)
Irgendeine Spur zieht alles,
nichts vergeht zur Gänze in der Nacht.
Der Bettler gibt die letzte Krume
die für ihn vom Abfall fällt
seinem Köter. Der die Welt
einst erretten wird von allem Dunkel.
Eine Plane deckt das morsche Dach des Stalles.
Der Vogelkot erschafft die Blume
Dem Diamanten sagt die Funzel: Funkel!
Der kleinste Flügel weist dem Sturm
eine etwas andre Richtung. Weil ein Wurm
den kargen Grund durchwühlte,
wächst die Eiche, grünt das Land.
Noch der weite Ozean spülte
den ersten Samen einst an jenen Strand,
wo die Taube ihren Adler fand.
Dass im längst zerfallenen Turm
mit dem Mensch der Löwe sich verband.
Und sieben Himmel wurden, wo er träumte,
der in dem Pendlerzug kurz eingenickt.
Ging auch der Sommer früh zur Neige
es bleibt die Elster, und die pickt
die Narbe auf, die ich nicht zeige.
So wie der Straßenkehrer Steine, Zweige,
was je im Weg lag, an die Seite räumte,
dass nichts den letzten Weg des Sternlichts säumte
als jene, die er schweigend angeblickt.
aus: Der Tod ist mein einziger Freitag (2008)
Sie war nicht wirklich eingetroffen, der Koffer blieb im Wagen,
Die Fenster einen Spaltbreit offen, da hörte sie sich sagen:
„Ich müsst hier wirklich sauber machen, und Möbel müsst ich schieben.“
Dann dachte sie an falsches Lachen und an verdrecktes Lieben.
Am Abend sah sie Wolken steigen, die Brandung war ganz still.
Das Herz kommt leider nicht zum Schweigen, nur weil der Kopf es will.
Als hätt ihr jemand Sturm versprochen, sah sie aufs Meer hinaus,
und als sie dann ins Bett gekrochen, die Lampen waren aus,
da dachte sie wie im Gebet, Gott, mach den Sturm sehr groß,
als wenn man, dass man neu würd, fleht, und ließe alles los.
Vielleicht, weil sie nicht schlafen mochte, noch nicht, noch war es Nacht,
und weil ihr Herz verwundert pochte und sie war nicht vollbracht,
da hoffte sie auf Dunkelheit, und auf den Sturm von Norden,
und eine völlig ausgetauschte Zeit, und gar nichts wär geworden,
und nichts wär jemand widerfahren, ihr nicht und keiner Frau,
und Zeit bemäß man nur nach Jahren und wär sonst ungenau.
Die Nacht verging wie jede Nacht, und keine Stürme kamen,
und als sie trotzdem aufgewacht, vergaß sie ihren Namen.
Und auch, warum sie wieder weinte, und Kaffee wollt sie nicht.
Es blieb ein Schweigen, das sie meinte, ein Dämmern, fahles Licht.
Der Tag trat ratlos vor das Fenster, da sah sie dann zur Uhr.
Die Schränke voller Nachtgespenster, und sie lebendig. Nur
dass sie von sich nichts Rechtes wusste, nicht Heute und nicht Tod,
und nichts, was sie vollenden musste, und nichts war je so rot
wie dort das fremde große Helle, als loderte das Land.
Da trat sie zögernd an die Schwelle, sie war sich unbekannt.
Zwei Kinder rannten rechts von ihr vorbei, ein Hund hat auch gebellt,
und irgendwie war was entzwei, vielleicht die ganze Welt.
Die Nacht war achtlos fortgenommen, ganz ohne Wort verschwunden.
Sie waren jetzt ganz nah gekommen, fast hätte sie gefunden,
die auf der Straße vor ihr standen, Gesichter voller Teer
und mit dem Tag, der kam, verschwanden die Wolken überm Meer.
aus: Herbst: Ausgerissene Blätter (2016)
Jedwedes Ding hat seine Zeit
die Freude und der Futterneid
die Angst, die Not, die Zärtlichkeit
ja sogar Krieg und Hass und Streit
Jedwedes Ding hat seine Zeit
Jedwedes Dunkel hat sein Licht
der Götze weint, die Mauer bricht
weil selbst das stumme Wort Verzicht
am Ende von Erfüllung spricht
Jedwedes Dunkel hat sein Licht
Jedwedes Meer hat seinen Strand
der Berg sein Tal, der Strauch die Hand,
die sein Erblühn zu Sträußen band
und jede Taube findet Land
Jedwedes Meer hat seinen Strand
aus: An diesem schönen warmen Dienstag im Julei (2003)
was du den kindern am montag erzählst
dass dohlen die kupferhand schmücken
die muhme trägt auf dem korbmacherrücken
steine vom bach auf das feld
der vater war niemals ein held
regnet es frösche, schläft er mit mutter
kartoffeln isst er am liebsten mit butter
was du den kindern am mittwoch erzählst
hattest du nicht ihre hosen gewaschen
jetzt haben sie brot in den taschen
im garten wächst eine gläserne blume
ein held ist vater niemals gewesen
hast du die zeitung gelesen
die metzger suchen die muhme
was du den kindern am freitag erzählst
kupfern und golden die haare
ein leben währt endlose jahre
der sommer ist abend und morgen
mutter geht ratlos zum bäcker
du hast dich am waldrand verborgen
die muhme trägt salz auf die äcker
was du den kindern am sonntag erzählst
ein baum ist vorm winter zu fällen
ein hündchen wirst du verschenken
das hast du dem kutscher gestohlen
es bellt schon hinter den ställen
die muhme schießt eiserne dohlen
den vater werden sie henken
aus: Herbst: Ausgerissene Blätter (2016)